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„Wenn das Vergangene für immer vorüber wäre und das Bewältigte oder wenigstens Überstandene ein für allemal erledigt, dann erst, vielleicht dann erst wäre die Geschichtswissenschaft bedeutungslos und den Museen bliebe nur mehr ihre nostalgische Ästhetik. 
Doch das Zurückgebliebene scheint uns fortwährend zu überholen, um immer wieder in wechselnder Verkleidung seinen Tribut zu fordern von denen, die nichts aus der Geschichte lernen.“

Diese zwei Sätze stehen im Stiegenaufgang des Museums in Bad Radkersburg. Verfasst wurden sie von Herms Fritz. Nun wurden diese Sätze wieder einmal eindrucksvoll bestätigt. Im Jahr 2016 werden Wahlen gewonnen unter anderem mit Plakaten, die Heinrich Hoffmann, der Haus- und Hoffotograf der NSDAP, selbst gemacht haben könnte, vielleicht folgen zur Stichwahl noch Videos von Leni Riefenstahl. Überhaupt gibt es schaurig viele Parallelen zu den 1930er Jahren, was die Propaganda betrifft: Inhaltlich nichts wird perfekt durch sämtliche Medien und vor allem durch die social media durchgeschleust, dass niemand daran vorbeikommt; die anderen Parteien haben vergleichbar dazu offenbar gerade registriert, dass es ein Internet gibt. Ein Unterschied allerdings ist zu verzeichnen: Heute geht es den meisten Menschen gut bis sehr gut, im Vergleich zu den Zwischenkriegsjahren. Ein paar Vertreter einer der grandios abgewatschten ehemaligen Großparteien geben mit einer Wahlempfehlung zumindest ein kleines Zeichen gegen rechtsradikale Tendenzen, auch wenn es in Anbetracht einer Koalition auf Landesebene mit denselben Brüdern wenig glaubwürdig erscheint. Die andere Partei lässt alle Türen offen. Diese Partei weiß zwar nicht mehr, wie der Begriff „bürgerlich“ zu beschreiben wäre, zur Not ist für sie aber eine Partei, die etwa täglich irgendwo in ihrem Umfeld digital oder analog rechtsradikale Rülpser ins Land strömen lässt, auch gleich einmal bürgerlich. Bezeichnend, dass gerade diese beiden Kollegen Zeit haben, um eine Radiosendung am Morgen nach dem Wahltag zu besuchen: Sie haben nun ja ausreichend Zeit, weil sie sich nicht für eine Stichwahl vorbereiten müssen. Die eine Partei ist so mit sich selbst und ihrem Kanzler beschäftigt, dass ihr bestimmt nicht langweilig wird. Die andere, so lehrt uns die Geschichte, bereitet sich auf alles vor, das da kommen könnte und trainiert die ihr eigene Ideologiebeweglichkeit bis zur Zirkusreife.

Dagegen sein muss man können, und man sollte auch ungefähr wissen, wogegen man ist. Nur weil man sonst nichts kann, heißt das noch lange nicht, dass man automatisch gut im Dagegensein sein muss. In unserem Land muss man nicht einmal das können, weil dort, wo hergestellt wird, wogegen man sein könnte, so gearbeitet wird, dass es gar nicht notwendig ist, überhaupt etwas zu können oder wissen zu müssen, um dagegen zu sein. Ich erinnere mich an die ersten Auftritte eines pfeifenrauchenden Herrn aus Oberösterreich, der schließlich ein ganzes Bundesland in Schutt und Asche gelegt und selber kennzeichnenderweise mit einem Fahrzeug des Typs Phaeton eine allerletzte Runde gedreht hat. Als ob er noch nachsehen wollte, ob auch wirklich alles kaputt ist. Das erste Auftreten war für einen wie mich damals 14 oder 15 Jahre alten Jugendlichen durchaus bemerkenswert. Allerdings hat sich bei nicht sonderlich genauem Hinsehen schnell gezeigt, welch politischer Natur der Mann ist. In diesem Fall hat man nicht viel wissen müssen, um diesem Mann mit seiner Partei als Ratte nicht hinterher laufen zu müssen, wie es aber ohnehin nie jemand getan hat, die vielen Wählerstimmen sind stets aus unerklärlichen Quellen gekommen. Selber war er auch meist dagegen, wogegen auch immer. Herausgestellt hat sich erwiesenermaßen, dass er und seine Gefolgsleute vor allem dagegen waren, dass sie selber die längste Zeit nicht Säue haben sein dürfen an den gut gefüllten Futtertrögen, gefüllt mit Steuergeld. Als sie dann dort waren, haben sie gleich gar kein Maß mehr gehalten, die Tröge noch umgedreht und die letzten Batzen heraus geschleckt und die Tröge zertrümmert, als gäbe es kein Morgen. Dass es das tatsächlich nicht geben sollte, müssen sie irgendwie geahnt haben, ansonsten kann so eine Gleichgültigkeit für jegliche Zukunft kaum entstehen.

Doch weit gefehlt, was die Zukunft betrifft. Ein demoliertes Bundeslang genügt offenbar nicht als Beweis für die herausragenden Fähigkeiten dieser Partei, der sich auf grauenhafteste Art und Weise ausgerechnet die so genannte Wirtschaftspartei ein weiteres Mal auf Bundesebene anbiedern wird. Anscheinend wird in diesem Land zu viel Alpinsport im Fernsehen geschaut. Der Blauäugige redet von einer Zwischenbestzeit, während ein erschreckend großer Teil der Wählerschaft offenbar die Zeitlupenwiederholung sehen muss, ob es wirklich wahr ist, was in diesem südlichen Bundesland vorgefallen ist. Ob es wirklich wahr ist, dass dort unten ein ganzes Land pleite ist. Also muss das doch bundesweit auch zu machen sein, und wir wollen spüren, wie sich das anfühlt, wenn alles kaputt wird. Vorher glauben wir es nicht. Vielleicht ist diese Sehnsucht nach Zerstörung ein Kriegstraumaersatz. Es gibt viel kaputtzumachen.

Das Defizit des Niemalsdafürseins ist nicht zu vernachlässigen. Für etwas zu sein erfordert – im Gegensatz zum Dagegensein – zumindest eine kurze Reflexion eines Inhalts, einer Form oder von irgendetwas. Wenn es aber ohnehin einfach da ist, muss man nicht mehr dafür sein, dabei kann das alles ganz schnell weg sein. Man selbst nämlich auch, darum wundere ich mich besonders bei Immigranten noch mehr, wenn sie bei der teutonischen Wertegemeinschaft ihr Kreuz machen. Der Wahlsieger hat genau in jener inhaltslosen und nichtssagenden Kürze erfasst, was gehört werden will: Wir sind für Euch, die Heimat braucht Euch jetzt, wohl wissend, dass genau so ein Blödsinn funktioniert. Frei nach Manfred Deix schauen sie so volksnah und freundlich drein, dass das Volk, der Vollkoffer, sie besser wählen kann.

Jedenfalls gibt es einen Sozialstaat, der hier ganz gut funktioniert. Was damit geschehen würde im Falle einer Regierung mit einer Partei, die den Propagandastil des Nationalsozialismus 1:1 ins Heute transportiert, ist wage vorstellbar. In diesem Sozialstaat werden fast alle einigermaßen gut aufgefangen. Bankrotte Banken zum Beispiel. Flüchtende Menschen zum Glück auch. Vor allem aber werden Leute aufgefangen, die gerade keine Arbeit haben. Jetzt vergleichen wir einmal ein bisschen, ich habe nämlich sehr akkurat zugehört, als im Radio Zahlen genannt wurden, die nicht erfunden, sondern belegbar sind. Flüchtende Menschen haben den Staat Österreich 2015 etwa 800 Millionen Euro gekostet. Für das Jahr 2016 gibt es noch keine endgültigen Zahlen, es werden ein bis eineinhalb Milliarden sein. Nicht einberechnet ist hier eine Umwegsrentabilität, die bei erfolgreicher Integration eintreten kann. Ein wenig vorher wurde eine Bank gerettet. Warum auch immer eigentlich. Das hat – bis jetzt, von weiteren Kosten ist auszugehen – etwa 30 Milliarden Euro gekostet. Eine zukünftige positive Umwegsrentabilität ist in diesem Fall auszuschließen. Gibt es irgendwo Widerstand? Demonstrationen? Warum gibt es bei uns keine Vereinigung patriotischer Österreicher_innen gegen bankrotte und korrupte Banken, deren Havarien wir zahlen müssen? Wahrscheinlich, weil Pögbukbdhwzm einfach eine Scheiss-Abkürzung ist. Diese Bank, das sollte nicht vergessen werden, wurde unter der Regie des Pfeifenrauchers zugrunde gerichtet. Die heutigen stramm nationalen Brüder sind seine direkten Nachfolger, auch wenn sie jeglichen Zusammenhang leugnen.

Eine Protesthaltung gegen die Regierungsparteien ist verständlich und nachvollziehbar. Der Wechsel zur rechten Oppositionspartei ist nicht mehr verständlich. Als sichtbare Referenzen gibt es nun einmal nicht viel mehr als jenes kaputte Bundesland, eine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene, die ins Witzebuch gehört und eine ganze Menge Gerichtsverhandlungen. Ich wünsche mir von allen, die diese verhaltenskreative Partei mit dem Wunsch zu einer Veränderung wählen, sich auch danach dazu bekennen, sich selbst und allen anderen dazu den Teppich unter den Füßen weggezogen zu haben. „Das war nicht vorauszusehen“ hat keine Gültigkeit. Schreiben wir uns den zu Beginn zitierten Satz hinter die Ohren und tätowieren ihn ein paar anderen spiegelverkehrt auf die Stirn, damit es auch keine Ausreden gibt, dass es nicht gelesen werden konnte.


Bildrechte: (C) Walter Schaidinger


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[Kolumne/Walter Schaidinger/26.04.2016]





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